White Paper von Achim Hugger, CTO von GUTERMANN.
Automation dank Digitalisierung in der Wasserbranche
Für viele Wassermeister beginnt der Tag im Büro heute mit einem Blick auf den Bildschirm. In wenigen Minuten können sie die Ergebnisse der nächtlichen Messungen an ihren Trinkwasserleitungen analysieren und wichtige Entscheidungen für den Tag treffen. Gibt es neue Lecks oder undichte Stellen? Gezielt kann der Wassermeister mit den gefundenen Informationen seine Mitarbeiter zu den Stellen schicken, die das Leckortungssystem ihm angezeigt hat. Die Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung Einzug in die Wasserwirtschaft gehalten haben, bedeuten einen enormen Fortschritt in Sachen Effizienz und Sicherheit beim Betrieb von Wassernetzen. Gerade im Bereich der Leckageortung sah es vor wenigen Jahren noch ganz anders bei den Versorgungsbetrieben aus. Das eingangs beschriebene Szenario vom „digitalen“ Wassermeister schien hier noch in weiter Ferne.
Früher wurden regelmäßig händische Kontrollmessungen durchgeführt
Ohne ein permanente Netzüberwachung gleicht die Lecksuche der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Zwar ist den Verantwortlichen im Normalfall bekannt, wieviel Wasser in ihrem Netz jedes Jahr verloren geht (nicht selten sind es 25 Prozent des Gesamtverbrauchs und mehr), aber um herauszufinden, wo die sich Lecks befinden, braucht es oft die Hilfe des Zufalls oder eine aufwändige Überprüfung des Leitungsnetzes vor Ort. Mal meldet sich ein aufmerksamer Bürger, wenn er eine Stelle entdeckt hat, an der das Wasser aus dem Boden quillt, mal findet ein Mitarbeiter bei seinen Kontrollmessungen mit einer Horchglocke oder einem Geräuschlogger eine verdächtige Stelle. Oft sind dann zwischen der Entstehung des Lecks und dessen Auffinden schon Wochen oder Monate vergangen. Im ungünstigen Fall ist aus dem kleinen Leck inzwischen ein großes oder gar ein Rohrbruch geworden. Je nach Bodenbeschaffenheit sucht sich das aus der Leitung ausgetretene Wasser im Laufe der Zeit seinen eigenen Weg. Dabei kann es zu Unterspülungen von Straßen kommen oder zu feuchten Kellern, wenn sich z. B. das Wasser an einer Hauswand staut.
Der Einzug von „Big Data“ und „Cloud-Computing” in die Wasserversorgung
Das Prinzip der permanenten Leckortung ist bekannt aus vielen anderen Anwendungsbereichen:
Man verteile flächendeckend eine große Anzahl von Messsensoren über ein zu überwachendes System, führe die Messdaten und die dazugehörigen Informationen an einer zentralen Stelle zusammen und verarbeite und analysiere diese mit intelligenten Algorithmen, die genau die Aussagen liefern, die für den Benutzer von Interesse sind. Ob Pollenflug und Wettervorhersage, intelligentes Parkraummanagement und Smart City: In diesen Fällen geht es bei „Big Data“ und „Cloud-Computing“ mal nicht um personenbezogene Daten, sondern um das möglichst effiziente Sammeln und Verarbeiten von Sensorinformationen. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Systeme werden flächendeckend, vollständig und automatisch überwacht
- Relevante Ergebnisse sind zeitnah und in vorverarbeiteter Form online oder per Email verfügbar, Mitarbeiter müssen nicht vor Ort gewesen sein
- Automatische Alarme reduzieren Risiken von Schäden an Mensch und Infrastruktur
- Leckrelevante Veränderungen können durch kontinuierliche Messungen leichter erkannt werden und fehlerhafte Messungen leichter identifiziert und ausgeschlossen werden dank Einbezug vorangegangener Messungen
- Komplizierte Zusammenhänge können automatisch auf die relevante Information komprimiert werden und Reports fürs Management und für die Straßenreparatur-
Teams automatisch erstellt werden
Preisgekrönte Leckortungstechnologie
Dank der Produktplattform ZONESCAN hat sich Gutermann weltweit zum einem der Technologieführer entwickelt und bereits fast mehrere Technologiepreise gewonnen. Weltweit über 200 Städte sind heute schon mit dem permanenten Leckortungssystem ZONESCAN ALPHA der Firma Gutermann ausgestattet, teils nur ausgewählte Quartiere teils flächendeckend. Die ersten Systeme in Deutschland wurden bereits zu Beginn dieses Jahrzehnts installiert. Karl-Heinz Beißwenger vom Zweckverband Eislingen: „Wir testeten ZONESCAN ALPHA zuerst im Jahre 2010. Bereits nach ein paar Tagen konnte der Leckverlust im Testgebiet dermaßen reduziert werden, dass sich die Anschaffungskosten des Systems schon nach drei Monaten ausbezahlt hatten.“ Seither hat sich die Abdeckung in Eislingen auf fast 1000 Messpunkte ausgedehnt (Bild 3). Frank Tantzky, der zuständige Betriebsleiter bei den Albstadtwerken, berichtet, dass in der von ihm betreuten Gemeinde Stetten bereits im ersten Jahr eine Reduktion der Netzverluste von fast 40 Prozent und der operativen Kosten von fast 50 Prozent erreicht werden konnte. In der Stadt Aulendorf waren die Wasserverluste so hoch, dass man sich gezwungen sah, aus Kostengründen ein ZONESCAN ALPHA System für das gesamte Wassernetz zu kaufen und bis heute konnten entscheidende Einsparungen erzielt werden. Auch die Städte Trier und Benningen haben sich vor Kurzem für eine permanente Netzüberwachung mit korrelierenden Geräuschloggern von Gutermann entschieden. In der Schweiz, wo sich auch der Hauptsitz von Gutermann befindet, sind mittlerweile dutzende von Gemeinden komplett mit dieser Sensorik abgedeckt. Sein eigenes Wassernetz unter Kontrolle zu haben gehört für viele Schweizer Wassermeister zum „Service Publique“, also zum Qualitätsanspruch der öffentlichen Dienste. Seit 2015 wird die französische Stadt Lyon großflächig durch einen der größten Wasserversorger, Veolia, mit über 6000 ZONESCAN Sensoren überwacht, deren Daten durch Veolias AMI Netzwerk eingesammelt und ins eigene Leitsystem übertragen werden.
Effizientere Datenübertragung durch „Internet der Dinge“
Das „Internet of Things“ ist in aller Munde. Aber was heißt das konkret für die Sensorik in der Wasserindustrie. Korrelierende Geräuschlogger stellen die Datenübertragung vor besondere Herausforderungen: Zum einen müssen Daten aus engen Schächten in einiger Tiefe heraus geschickt werden können. Zum anderen sind die Datenmengen, die für die Korrelation notwendig sind, ungleich größer als diejenigen von normalen Geräuschloggern oder gar von Wasserzählern. Drittens braucht man für die Korrelation auch eine zeitliche Synchronisierung der Geräuschaufnahmen auf die Millisekunde genau (siehe Kasten). Um alle drei Voraussetzungen erfüllen zu können musste man bisher für die Datenübertragung speziell optimierte Funksysteme verwenden, teilweise unter Einbezug sogenannter Funk-Repeater (wie zum Beispiel bei ZONESCAN ALPHA Installationen). Durch die rapiden Fortschritte im Bereich der zellulären LPWLAN-Netze (Internet der Dinge) werden diese Netze zumindest den Anforderungen an Datenmenge und Übertragungsqualität genügen. Gutermann arbeitet an einer neuen Generation von IoT-Loggern, die in zweiter Stufe auch den Anforderungen der Synchronisierung genügen wird. Hervorzuheben ist die angekündigte flächendeckende Implementierung von LTE cat. NB1 (bekannt auch als NB-IoT) und LTE cat. M1 in vielen Städten, die damit einen Verzicht auf eine eigene Funklösung ohne Nachteile für die Qualität der Ergebnisse ermöglichen und damit einhergehend auch den bisherigen Installations- und Wartungsaufwand nahezu eliminieren wird. Dies wird für viele Wasserwerke die Entscheidung für ein permanentes Überwachungssystem noch weiter erleichtern.
Konvergenz der permanenten und mobilen Anwendungen
Da eine flächendeckende Abdeckung mit permanenter Leckortung finanziell oder operativ nicht immer sinnvoll ist, lassen sich heute die permanente Lecküberwachung und die mobile Netzuntersuchung geschickt kombinieren. Bei Gutermann lassen sich immer mehr Daten der Einzelgeräte wie Korrelatoren und Logger in dieselbe Cloud-Lösung hochladen. Damit können sämtliche Messungen und deren Resultate auf Dauer gespeichert und übersichtlich in derselben Nutzeroberfläche mit Kartenmaterial geografisch darstellt werden. Die Leckortungsarbeit wird transparenter und reproduzierbarer. Mehr und mehr dieser Instrumente werden einfach per Tablet gesteuert und zwar mittels attraktiver Apps und automatischer Positionsanzeige auf kostenlosem Kartenmaterial. Auch die Installation von permanenten Systemen ist demnächst einfach über Apps und Tablet bzw. Smartphone möglich. Alarme über potenzielle Lecks oder Warnungen über Funktionsstörungen können ebenso bequem und zeitnah eingesehen werden wie Karten mit sämtlichen Leitungsdaten und Messergebnissen.
Mithilfe von Hydrophonen werden jetzt auch große Versorgungsleitungen überwacht
Die neueste Entwicklung im Bereich der permanenten Überwachung der Trinkwasserversorgung ist die Erweiterung des bestehenden Systems auf große Versorgungsleitungen. Der Bedarf danach ist besonders groß, die technische Herausforderung allerdings auch. Versorgungsleitungen verbinden Wasserwerke oder Hochbehälter mit dem Verteilungsnetz. Die Leitungsdurchmesser sind typischerweise 300 bis 1200 mm. Während bei einem Leck im Bereich des Verteilungsnetzes oder der Hausanschlüsse der Schaden meist überschaubar bleibt, können beim Ausfall einer einzigen Versorgungsleitung ganze Stadteile oder Industriegebiete betroffen sein. Hier sind zeitnahe Warnungen und Alarme besonders gefragt. Um schon kleinste Lecks in Leitungen dieser Dimensionen über lange Distanzen detektieren zu können, werden anstelle der von außen auf der Rohrwand angebrachten Accelerometern hochsensible Hydrophone so installiert, dass ihre Membrane die akustischen Signale direkt im Wasser messen. Die Installation der Hydrophone erfolgt im Abstand von 600 bis 800
Meter. Gutermann zum Beispiel lanciert gerade das Produkt HISCAN, dessen Entwicklung fünf Jahre gedauert hat und vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. HISCAN erlaubt die permanente Überwachung von Hauptleitungen (oder auch Plastikleitungen) durch tägliche Korrelation von Geräuschdaten. Die ersten Hydrophon-Logger wurden bereits in Frankreich, Australien
und Saudi Arabien installiert.
Ausblick
Für die Zukunft kann man sich leicht vorstellen, die Daten aus dem Leckortungssystem für weitere Zwecke zu verwenden und mit anderen Datenquellen zu kombinieren: Statistiken über die Häufigkeit von Lecks in bestimmten Leitungsabschnitten können als Entscheidungsgrundlage für notwendige Investitionen verwendet werden. In Kombination mit Smart Metering (Verbrauchs- und Durchflussmessungen) können die Wasserverluste für einzelne Lecks genauer quantifiziertund damit priorisiert werden. Alarme könnten dazu verwendet werden, direkt den Netzdruck zu reduzieren, um Folgeschäden zu begrenzen. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto mehr kann sich ein solches permanentes Überwachungssystem zu einem Expertensystem entwickeln, das auch Prognosen zulässt über mögliche zukünftige Leckagen oder über den Zustand und die Restlebenszeit von Leitungen.
Gutermann forscht an all diesen Themen schon seit einigen Jahren und wird entsprechende Lösungen in seine existierende Cloud-Software integrieren. „Gutermann ist schon seit Jahren als innovative Technologiefirma bekannt“, so Frank Tantzky von den Albstadtwerken. „Wir sind gespannt auf die weiteren Produktinnovationen und werden uns sinnvolle technologische Erweiterungen in unseren Netzunterhalt integrieren, um auch in Zukunft optimal und effizient auf Wasserverluste reagieren zu können.
“Wie funktioniert die permanente Leckortung?“
Beim Austritt von Wasser aus einer Leitung entstehen Körperschallschwingungen, die sich in der Rohrwand und im Wasser nach beiden Seiten des Lecks ausbreiten. Spezielle Geräuschlogger (Accelerometer) werden von außen magnetisch an die Wasserleitung angekoppelt. Sie übertragen täglich ihre akustischen Messdaten an einen Server, der sie analysiert und die Ergebnisse über eine verschlüsselte Internetverbindung dem Wasserwerk zur Verfügung stellt. Beim System ZONESCAN ALPHA der Schweizer Firma Gutermann mit ihren Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstandorten in Baden-Württemberg erfolgen die Messungen mit einer sehr hohen zeitlichen Synchronisierung, sodass mithilfe von Schallausbreitungsgesetzen die Messsignale der Geräuschlogger korreliert werden können. Dies hat den Vorteil, dass die Lecks mit sehr hoher Genauigkeit lokalisierbar sind und außerdem Fehlinterpretationen deutlich seltener vorkommen. Korrelationen sind darüber hinaus etwa 30-mal empfindlicher als reine Geräuschpegelmessungen und damit auch für viele Kunststoffnetze geeignet. Sie ermöglichen häufig die Detektion von kleinen beginnenden Leckagen bevor diese größere Schäden anrichten. Die täglichen Messungen der Geräuschlogger bestehen aus Korrelationsmessungen, dem Geräuschspektrum sowie einer Geräuschpegelverteilung. Diese Informationen werden von einem Expertensystem auf dem Server zur Berechnung der Leckwahrscheinlichkeit mit historischen Werten der Leckdatenbank verknüpft. Aufgrund der Korrelation kann die Position der Leckagen mit einer Genauigkeit von unter einem Meter ermittelt und in einer Straßenansicht im Browser punktgenau dargestellt werden.